Appell des HGV-Vorstands an Gemeinderat und Stadtverwaltung der Stadt Tübingen

Das Haushaltsloch ist tiefer als gedacht. Ursache dafür: das Gewerbesteueraufkommen, das niedriger ausgefallen ist als prognostiziert. Dabei sind 52 Mio. Euro Gewerbesteueraufkommen gar nicht mal so schlecht verglichen mit dem, was vor 10 bis 15 Jahren in die Tübinger Stadtkasse geflossen ist. Es reicht aber hinten und vorne nicht. Das Streichkonzert geht also weiter. Es muss sogar weitergehen, um einer Haushaltssperre durch das Regierungspräsidium zuvorzukommen. So bitter – so nachvollziehbar.
Oben auf der Liste möglicher Maßnahmen stehen u.a.: Streichung des kostenlosen Samstags-TÜBus, des Zuschusses zum Deutschland-Ticket, eine Erhöhung der Parkgebühren sowie der Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer.
Im Zuge der nun notwendigen Kürzungen werden schmerzhafte Entscheidungen zu fällen sein. Doch wir möchten den Entscheidern einen wesentlichen Aspekt für das Setzen vor Prioritäten empfehlen:
Beziehen Sie bei der Abwägung der Optionen auch die Folgewirkung hinsichtlich des Gewerbesteueraufkommens und weitere für die Stadt insgesamt negative Effekte wie die drohende Leerstandsentwicklung mit ein.

Konkret:
Die jüngsten Streiks der Nahverkehrsbetriebe haben gezeigt, dass die Stadt an den Streiktagen deutlich leerer war als an vergleichbaren Tagen mit regulärem Betrieb. (Stichprobenartige Befragungen einzelner Händler zeigten, dass damit auch spürbare Umsatzeinbußen einhergingen. Eine umfassende Mitgliederbefragung dazu läuft noch.)
Darüber hinaus gilt: Insbesondere der Samstag ist als Frequenzbringer für den Einzelhandel ein wichtiger Wochentag.
Alle Maßnahmen, die die Attraktivität des Nahverkehrs einschränken – ausgedünnter Fahrplan, Verzicht auf kostenlosen TÜBus -, schlagen unmittelbar auf die Umsätze im Einzelhandel durch. Die Folge für die Stadtkasse: weiter zurückgehende Gewerbesteuereinnahmen. Von den sonstigen ebenfalls gravierenden Begleiterscheinungen rückläufiger Umsätze für die Betriebe bis hin zur Geschäftsaufgabe ganz zu schweigen.
Denselben Effekt dürfte eine Anhebung der Parkgebühren mit sich bringen, die wir deshalb ebenfalls ablehnen. Und auch eine Erhöhung der Gewerbesteuer trägt nicht zur Konsolidierung der wirtschaftlichen Situation des Tübinger Handels und Gewerbes bei.

Unser Appell an die Entscheider in Gemeinderat und Stadtverwaltung:
Wählen Sie die Maßnahmen so, dass das ohnehin rückläufige Gewerbesteueraufkommen nicht zusätzlich abgewürgt, die ohnehin schwierige Situation der Handels- und Gewerbebetriebe nicht weiter verschärft und der Trend zu noch mehr Leerstand nicht weiter verstärkt wird.

Und die Frage, die wir damit verbinden:
Seit 2014 ist die Anzahl städtischer Mitarbeiter in der Kernverwaltung um 20 Prozent gestiegen. Resultiert dieser signifikante Anstieg tatsächlich aus einer echten Zunahme an Aufgaben, die das Wachsen einer Stadt und ihr Anspruch an eine leistungsfähige Stadtverwaltung mit sich bringen? Oder schlummern hier vielleicht auch deutliche
Einsparungspotentiale, die mittels Bürokratieabbau zeitnah realisiert werden könnten, damit schmerzhafte Kürzungen und den eigenen Interessen zuwiderlaufende Folgewirkungen der sonstigen zur Debatte stehenden Maßnahmen (Steuer-/Gebührenerhöhungen, Einsparungen/Streichungen) anderer Stelle vermieden werden?

Der Vorstand des Handel- und Gewerbevereins Tübingen e.V.
Tübingen, den 3. April 2025